Digitalisierung im Rettungsdienst

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Im Rettungsdienst geht es um geübte Handgriffe, schnelle Entscheidungen und nicht selten um Leben und Tod. Neben der Arbeit mit den Patienten nehmen Dokumentationen und Verwaltungsarbeiten einen immer größer werdenden Teil der Arbeit ein. Wir wollten wissen: Wie hilft die Digitalisierung, diese Arbeiten im Rettungsdienst effektiver zu gestalten?

Notfallsanitäter und QM-Beauftragter Dominik Tuttmann hat uns für ein Gespräch in die Lehrrettungsrettungswache Greven in Nordrhein-Westfalen eingeladen. Die Rettungswache gibt es seit 1985 und deckt die Stadt Greven und die Umgebung rund um die Uhr im Rettungsdienst und Krankentransport ab. Zwei Außenstandorten versorgen zudem Ibbenbüren und Altenberge. Im Gespräch mit ihm kamen wir schnell auf das Thema digitale Dienstpläne.

Der digitale Dienstplan erleichtert die Schichtplanung

Auf die Frage, wie viele Kollegen in der Rettungswache arbeiten, überschlägt Tuttmann im Kopf: „Wir haben 40 Kolleginnen und Kollegen hier, die wir monatlich im Dienstplan berücksichtigen müssen. Hierbei ergeben sich einige Fragen: Die Personalverantwortlichen nutzen hierfür ein Schichtplanungsprogramm. Die Vorteile im Hinblick auf Datenschutz- und IT-Sicherheit: Die personenbezogenen Daten verbleiben im Rechenzentrum der SoCura und nur der Wachleiter und dessen Stellvertreter haben Zugriff auf das Programm. Auch auf der praktischen Seite bietet der digitale Dienstplan eine Arbeitserleichterung:

„Pro Monat erhalten wir 5-15 Dienstpläne. Es gibt einen ersten Entwurf und dann eine Art finalen Dienstplan, in den aber noch Änderungen einfließen durch Krankheiten oder Diensttausche. Stellen Sie sich mal vor, die Wachleitung müsste sich bei jedem Tausch fragen: Sind alle Schichten besetzt? Wird die gesetzliche Arbeitszeitregelung eingehalten? Die Verantwortlichen exportieren dann den neuen Plan als PDF und versenden diesen per E-Mail an uns.“

Mit dienstlichen E-Mail-Adressen wird jeder Kollege erreicht

In Greven haben vor einem Vierteljahr die letzten Mitarbeiter eine malteser.org-Adresse erhalten. Seitdem können die Vorgesetzten die vollständigen Dienstpläne endlich an jeden Mitarbeiter versenden. „Aus Datenschutzgründen dürfen wir an private Adressen nur den persönlichen, nicht aber den vollständigen Dienstplan schicken. So war es schwieriger, Tauschpartner zu finden.“ Auch ganz praktische Situationen erforderten früher mehr Aufwand: „Unter uns gibt es einen Kollegen, der uns in seiner Schicht bekocht. Sehe ich im Dienstplan, dass wir dieselbe Schicht haben, brauche ich mir selbst kein Essen mitzubringen“, erläutert Tuttmann mit einem Augenzwinkern.

Die Einführung der dienstlichen E-Mail-Adressen beugt bei den Dienstplänen zudem Ärger vor: Die Mitarbeiter sind verpflichtet, einmal pro Dienst in ihr dienstliches E-Mail-Postfach zu schauen. So kann sich niemand beschweren, dass er die neuesten Änderungen nicht erhalten habe. In der Rettungswache Greven wird die Neuerung gut angenommen: „Die Kollegen sehen die Vorteile eines stets aktuellen Dienstplans und benutzen zum Teil auch von zuhause die webbasierte Outlook Web App oder haben Outlook auf ihrem Privatgerät installiert. Auch die Älteren nehmen es an, selbst wenn manchmal die Signatur noch nicht stimmt“, lacht Tuttmann.  

Mobile Datenerfassung im Krankentransport und Rettungsdienst: Digitalisierung der Einsatzprotokolle

Auch unterwegs greift der Rettungsdienst auf digitale Hilfsmittel zurück: In den Krankenwagen, Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeugen benutzen die Rettungsdienstmitarbeiter spezielle Laptops, auf denen sie die Protokollierung und Abrechnungen erstellen. Da es auf der Fahrt schonmal etwas holpriger wird, ist das Gerät stoßfest und spritzwassergeschützt. Tuttmann erläutert die Schritte: „Die Leitstelle sendet neue Einsätze mit der Zieladresse direkt an den Laptop. Angekommen beim Patienten, lesen wir über ein Kartenlesegerät die Krankenversichertenkarte ein.

Dann dokumentieren wir natürlich auch den Gesundheitszustand und alle erledigten Tätigkeiten digital. Das fertige Protokoll senden wir zum einen per E-Mail oder Fax an das Krankenhaus und speichern es zum anderen auf den Servern des Trägers.“

Hier zeigen sich die Vorteile der Digitalisierung deutlich: „Die mobile Datenerfassung ist eine enorme Arbeitserleichterung für uns“, so Tuttmann. „Im Gegensatz zu handgeschriebenen Abrechnungen geschehen beim digitalen Einlesen der Versichertenkarte keine Rechtschreibfehler oder Zahlendreher. Auch eine unleserliche oder wackelige Handschrift ist somit kein Problem mehr. Die Patientendaten sind besser vor Verlust geschützt. Durch einen PIN-Schutz sind sie zudem gesichert und nur für die beteiligten Kollegen einsehbar.“ Auch im Archiv macht sich die Digitalisierung bemerkbar: Einsatzprotokolle müssen 10 Jahre vorgehalten werden. Auf dem Dachboden der Rettungswache werden die Aktenberge aber seit der digitalen Datenerfassung kleiner. Tuttmann freut sich über diese Entwicklung: „In ein paar Jahren können wir den Raum für etwas anderes nutzen.“

Digitale Temperaturlogger retten Leben

Neben der mobilen Datenerfassung erleichtern weitere Hilfsmittel die Arbeit auf der Rettungswache, wie zum Beispiel die digitalen Temperaturlogger zur Aufzeichnung des Temperaturverlaufs. Sie zeichnen die Temperatur in Medikamentenschränken und -Kühlschränken im Rettungswagen, Notarzteinsatzfahrzeug sowie im Lager auf und tragen im Ernstfall dazu bei, Leben zu retten. Tuttmann erklärt, warum: „Im Medikamentenkühlschrank ist eine Temperaturspanne von 2 bis 8 Grad Celsius vorgeschrieben.

Das ist ganz wichtig, denn andernfalls verlieren die Medikamente ihre Wirkung. Jeden Morgen kontrollieren wir die Temperaturlogger. Blinkt das Lämpchen grün, wurden die Werte eingehalten. Falls das Lämpchen rot leuchtet, müssen wir alle Medikamente wegschmeißen.“ Zusätzlich überträgt Tuttmann den Temperaturverlauf in einen geschützten SharePoint-Ordner. So gibt es für jeden Tag eine genaue Temperaturaufzeichnung, die durch Berechtigungsstrukturen nur bestimmten Personen zugänglich ist.

Digitalisierung hat im Rettungsdienst längst Einzug gehalten

Tuttmann kann sich noch gut an die Zeit vor der SoCura erinnern: „Mit einer selbst organisierten IT mussten wir uns um alles selbst kümmern, beispielsweise die komplette Infrastruktur, das Administrieren der Programme und natürlich das Beantworten von Anwenderfragen. Gott sei Dank konnten wir diese Aufgaben dann an die SoCura abgeben. Auch merken wir durch Berechtigungsstrukturen und einem professionellen IT-Sicherheitskonzept einen spürbaren sowie erforderlichen Fortschritt im Datenschutz.“ Auf der anderen Seite gibt es aber auch Situationen, in denen er Anfragen lieber selbst erledigen würde.

„Wenn ich ein Ticket bei der SoCura erstelle, erhalte ich kompetente und freundliche Hilfe, habe es aber nicht mehr selbst in der Hand. Manchmal würde ich dann gerne die erforderlichen Adminrechte haben, um die Anfrage selbst bearbeiten zu können. Damit bin ich groß geworden und natürlich steckt das auch noch in mir drin.“

Tuttmann sieht die Zukunft der Rettungswache noch digitaler und vernetzter. „Vielleicht bekommen wir bald neue Geräte und können digitale Dienste wie Office 365 noch besser in unsere Arbeit integrieren. Vieles scheitert leider heute auch an den Kosten, die die Digitalisierung nun einmal mit sich bringt. Ich denke aber, dass in Zukunft die Bereitschaft steigen wird, hier zu investieren.“

Wir danken Dominik Tuttmann und der Rettungswache Greven für die vielen spannenden Einblicke!

 

 

 

Der gelernte Industriemechaniker ist schon seit seiner Kindheit bei den Maltesern. Vor 10 Jahren hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und hat sich zum Rettungsassistenten ausbilden lassen. Es folgte die Weiterbildung zum Notfallsanitäter und staatlichen Desinfektor. Seit 6 Jahren ist er in Greven tätig und dortiger Ansprechpartner für die IT. Darüber hinaus ist er noch Qualitätsbeauftragter im Malteser Hilfsdienst e.V. und zudem Rettungsdienst-Auditor.

Dominik Tuttmann
Malteser Hilfsdienst e. V.